Eigentlich wären sie gerade unterwegs: die Grünkohltour-Gruppen. Und sie hätten mehr zu feiern als sonst. Vor genau 150 Jahren fand die erste Kohlfahrt statt.
Es fehlt etwas auf den beliebten Spazier- und Wanderwegen: Es fehlen die Bollerwagen, die Menschengruppen mit Schnapsgläsern um den Hals, die Erwachsenen, die bei albernen Spielen wieder zum Kind werden. Und natürlich fehlt das bierselige Aufwärmprogramm in den Traditionsgaststätten. Es fehlen die Grünkohltouren.
Dabei ist dieser 15. Januar ein besonderer Tag. Denn vor 150 Jahren, im Jahr 1871, startete der Oldenburger Turnerbund (OTB) zu seiner ersten Winterturnfahrt. Sie gilt als Ursprung der Oldenburger Kohlfahrttradition. So heißt es in der Vereinschronik: „Bei leichtem Frost und hellem Sonnenschein gelangte man im dreistündigem Marsche über Metjendorf nach Wiefelstede, wo bei dem biederen Wirte Zur Brügge das Mittagsmahl bereitet war, bestehend aus dem oldenburgischen Nationalgericht: brauner Kohl mit Pinkel, Wurst, Schweinefleisch und Bratkartoffeln.“
Fahrt für Wohlhabende
Es gibt weitere Berichte von Kohlfahrten aus dem 19. Jahrhundert. So beschreibt der Sattlermeister H. A. Spieske beispielsweise in seinen „Erinnerungen eines alten Oldenburgers“ bereits für 1874 die ersten Kohlfahrten in Oldenburg. Diese waren zunächst nur den Adeligen und Wohlhabenden vorbehalten, führt er darin aus.
„Nichts ging indessen für wohlhabende Bürger über die Lust einer Schlittenfahrt im Winter“, heißt es bei Spieske, und: „Unser guter Herzog Peter Friedrich Ludwig machte dann auch das Vergnügen mit ...“ Hielt der Frost länger an, verabredeten sich die Honoratioren zu einer Partie aufs Land und meldeten sich für den folgenden Tag zu einem „langen Kohl“ an.
Ausführlich beschreibt Spieske, wie rustikal damals die Gäste „in dem nach Bauernmanier aufgeputzten Hause“ empfangen wurden: „In der Mitte des Hauses waren lange Bretter auf Böcke und Schrägen gelegt, mit weißen Tischtüchern bedeckt; die Ehrenplätze wurden aus gefüllten Kornsäcken, drei aufeinander, gebildet; die Hausmannsfrau hatte den Kohltopf mit Schinken, halbem Schweinskopf und Mettwurst zu Feuer gebracht.
„Tüchtig eingehauen“
Dann wurden die Gäste in die Stube geführt, wo schon eine Kanne mit heißer Milch für die Damen und eine Flasche mit deutschem Kornbranntwein für die Herren bereit stand ... Dann ward tüchtig eingehauen (heute würden wir ,reingehauen‘ sagen), der Bierkrug fehlte auch nicht, ... Dann ging die Fahrt im Jubel wieder zur Stadt zurück und noch lange wurde von solcher Kohlpartie gesprochen.“
Wie gesagt: die Kohltouren fehlen. Aber der nächste Grünkohlwinter kommt bestimmt. An diesem Freitag startet die Oldenburg Tourismus und Marketing (OTM) die Instagram-Challenge „Nich‘ lang schnacken, Foto auspacken! Wir feiern #150jahrekohlfahrt“. Bis zum 31. Januar ruft der OTM-Instagram-Kanal @echt.oldenburg dazu auf, Bilder von früheren Kohlfahrten mit dem Hashtag #150jahrekohlfahrt zu posten. Wenn 150 Fotos zusammenkommen, spendet die OTM mit Unterstützung der Fleischerei Meerpohl 150 Grünkohl-Mahlzeiten an die Oldenburger Tafel. (Quelle: NWZ, 15.01.2021)